Mais ist ein beliebtes „Futter“ für die 150 Biogasanlagen im Landkreis Rotenburg. Der Anbau der Energiepflanze ist unkompliziert, doch außerhalb der eigenen Zunft nicht unumstritten. Längst ist von „Vermaisung“ die Rede oder von Maiswüsten. Die Betreiber der Wilstedter Biogasanlage, alles Landwirte, haben daher eine Alternative zum Mais gesucht – und sind auf die Zuckerrübe gekommen.

Nawaro-Geschäftsführer Hermann Cordes, Manfred Thoden (stellvertretender Verwaltungsratsvorsitzender) und Betriebsleiter Heiko Gerken (von links) vor dem neuen Rübenmus-Hochsilo. (Foto: Johannes Heeg)

„Im Moment ersetzen wir zehn Prozent des Maises durch Rüben“, erklärt Hermann Cordes, Bauer aus Wilstedt und einer der drei Geschäftsführer der Nawaro Biogas WBO GmbH & Co. KG. Die betreibt Biogasanlagen an drei Standorten, wobei WBO für Wilstedt, Breddorf und Ostereistedt steht. Die Rübe bringe Abwechslung ins Landschaftsbild und fördere mithin die Akzeptanz von Biogasanlagen als nachhaltige Form der Energiegewinnung, meint Cordes. Bisher hätten die 57 landwirtschaftlichen Betriebe, die hinter der Nawaro stehen, auf 1300 Hektar Mais für die drei Kraftwerke produziert. Nun würden auf 130 Hektar Rüben angebaut, und zwar anstelle des Maises. Die Fruchtfolge sei gut für die Böden.

Strom und Wärme gleichzeitig

Um diese neue Frucht überhaupt nutzen zu können, mussten sich die Bauern erst einmal gründlich informieren und schließlich auch investieren. Und das nicht zu knapp: Allein mehrere hunderttausend Euro hat das neue Hochsilo in Wilstedt gekostet, das 4000 Tonnen Rübenmus aufnehmen kann. 20 Tonnen werden über den Tag verteilt dem Gärbehälter zugeführt, in dem Bakterien es zusammen mit Maissilage und Gülle in Methan umwandeln. Dieses wird dann in mehreren Blockheizkraftwerken verbrannt, die gleichzeitig Strom und Wärme liefern. Die Rüben werden nach der Ernte noch auf dem Feld mit Hilfe einer mobilen Anlage gewaschen und entsteint, erklärt Betriebsleiter Heiko Gerken.

Auf dem Gelände der Biogasanlage in Wilstedt werden die Rüben dann in einer ebenfalls mobilen Anlage zu Mus verarbeitet und in den Vorratsbehälter gepumpt. Vorteilhaft sei, dass die Rübe durch den Zuchtfortschritt höhere Ertragszuwächse bringe als Mais, sagt Manfred Thoden aus Grasberg, der stellvertretende Verwaltungsratsvorsitzende der Nawaro Biogas. „Und das ohne Gentechnik“, wie er betont.

Größter Steuerzahler in der Gemeinde

Ebenso wie sein Berufskollege Thoden sagt Cordes: „Biogasanlagen sind nicht nur ein wichtiges Element der Energiewende, sondern auch ein unverzichtbares zweites Standbein für viele Landwirte.“ Ohne die Energiegewinnung könnten einige Bauern, die von der Milch- und Fleischerzeugung lebten, derzeit kaum noch existieren. Ganz abgesehen davon sei die Wilstedter Biogasanlage auch der größte Steuerzahler in der Gemeinde, so Cordes.

Alle Blockheizkraftwerke der Nawaro Biogas zusammengenommen haben eine Leistung von 3,9 Megawatt. Mit ihrem Strom können sie rund 9450 Vier-Personen-Haushalte mit einem Durchschnittsverbrauch von 3500 Kilowattstunden im Jahr versorgen, rechnet Betriebsleiter Gerken vor. Zudem würden sieben Nahwärmenetze betrieben, davon zwei in Wilstedt: Eins versorgt dort das Freibad sowie das Feuerwehrhaus, das Schützenhaus und das Sportlerheim mit Wärme, am anderen Netz hängen einige Ladengeschäfte in der Hauptstraße und in der Bahnhofstraße sowie das Heimathaus im alten Bahnhof. Insgesamt habe die Nawaro Biogas rund 100 Wärmekunden, wodurch 1,3 Millionen Liter Heizöl im Jahr ersetzt würden.

[Quelle: Artikel von Johannes Heeg erschienen in der Wümme-Zeitung am 24. Mai 2016]