Seit 2007 untersucht das Institut für angewandtes Stoffstrommanagement (IfaS) der Hochschule Trier die Möglichkeit, Eingriffe in Natur und Landschaft durch den extensiven Anbau nachwachsender Rohstoffe zu kompensieren. Unter anderem wurden vier Modellregionen etabliert und evaluiert. Jetzt schlossen die Wissenschaftler das letzte von insgesamt vier Projekten zum Thema mit einem Praxis-Leitfaden ab. Die Quintessenz der Projektbeteiligten: Gemeinsam und kooperativ können Landwirte, Naturschützer und Kommunen ihre Ziele besser erreichen als jeder für sich. Denn Kompensationsmaßnahmen mit Nutzungskomponente erweisen sich in der Praxis oft als langlebiger und praktikabler.

Energiehecken als Teile eines Agroforstsystems
Energiehecken als Teile eines Agroforstsystems

Bauherren müssen Naturschutz-Ausgleichsflächen, sogenannte Kompensationsmaßnahmen, finanzieren, wenn sie andernorts zum Beispiel durch den Bau von Straßen oder Gebäuden Flächen versiegeln und umwidmen. Diese Eingriffs-Regelung nach § 13 Bundes-Naturschutzgesetz besteht seit 1976. Für die Ausweisung eines neuen Baugebietes etwa werden an anderer Stelle Hecken oder Bäume gepflanzt oder ein Acker in eine Wiese umgewandelt. Die Flächen dafür stammen häufig von Landwirten. Zusammen mit der nach wie vor hohen Flächenversiegelung in Deutschland – noch immer verschwinden jeden Tag im Schnitt 73 Hektar Boden unter Straßen, Bau- oder Gewerbegebieten – gehen so sehr viele produktive Flächen verloren, die nicht mehr für die Erzeugung von Nahrung, Futtermitteln oder nachwachsenden Rohstoffen zur Verfügung stehen.

Nach dem Konzept ELKE führen die Landwirte an Stelle des Ausgleichsverpflichteten die ökologischen Ersatzmaßnahmen durch. Sie verfügen weiterhin über ihre Flächen und bauen extensiv Energiepflanzen oder Pflanzen für die stoffliche Nutzung zum Beispiel in Form von Energiehecken an. Energiehecken bestehen aus einer Mischung schnellwachsender und standortgerechter Gehölze. Die Mindereinnahmen des Landwirts gleicht z. B. ein Ökokonto oder Fonds aus, in den die Bauherren als Verursacher einzahlen. Heute werden diese Mittel überwiegend noch für den Ankauf der Flächen verwendet. Dabei kann der innovative Ansatz des produktionsintegrierten Naturschutzes nicht nur ökonomisch, sondern mittelfristig auch ökologisch der heutigen Ausgleichspraxis überlegen sein. Zum einen lassen sich größere und vernetzte Flächen anlegen als es bislang der Regelfall ist. Zum anderen zeigen Auswertungen, dass Kompensationsmaßnahmen mit Nutzungskomponente langfristig gesichert sind, eben weil die Landwirte ein betriebliches Interesse an deren Aufwuchs haben. Wird hingegen in klassischen Maßnahmen nach einer Etablierungsphase die Pflege aus Kostengründen aufgegeben, so kann sich z. B. bei Hecken oder den beliebten Streuobstwiesen der gewünschte und auch rechtlich notwendige ökologische Wert vermindern: Ungeschnittene Hecken dünnen im unteren Bereich aus und bieten damit weniger Schutz für Wildtiere, ungeschnittene Obstbäume vergreisen frühzeitig und sind dadurch anfälliger für Windbruch. Die erwünschten Baumhöhlen, die in Folge des Obstbaumschnittes durch Insekten und Vögel erst angelegt werden, entwickeln sich in den Altbäumen nicht. Entgegen landläufiger Meinung gilt eben nicht „Je weniger Nutzung, desto mehr Natur“. Vielmehr beruht unsere heutige Kulturlandschaft mit ihrer erhaltenswerten biologischen Vielfalt in großen Teilen auf der Nutzung durch den Menschen.

In vier Modellregionen wurde der ELKE-Ansatz praktisch erprobt. So haben in Hessen und Bayern Landwirte und in Niedersachsen eine Gemeinde moderne Energiehecken angelegt; die Hackschnitzel aus der Agrarholzernte verwerten das Stammwerk der Firma Viessmann und das Kloster Scheyern zur Wärmeerzeugung. Im Saarland erprobte eine Stiftung den Anbau von Wildkraut- und Getreidegemengen für eine Biogasanlage. Die regionale Wertschöpfung aus der Rohstofferzeugung und -verwertung mindert die reinen Naturschutzkosten und leistet einen Deckungsbeitrag im landwirtschaftlichen Betrieb.

Inzwischen gibt es die ersten Regionen, die das ELKE-Konzept eigenfinanziert umsetzen. Es wird immer klarer: Die mehr oder weniger strikte Trennung von Kompensation und landwirtschaftlicher Produktion stößt zunehmend an ihre Grenzen. So gestaltet es sich für viele Maßnahmenträger immer schwieriger, Flächen zu erwerben, die zudem immer teurer werden. Die Zeit ist vielerorts reif für einen integrierten Ansatz. Dafür bedarf es allerdings auch der Bereitschaft beider Seiten – Naturschutz und Landwirtschaft – aufeinander zu zugehen.

Der Ansatz „Extensive Landnutzungskonzepte für die Produktion nachwachsender Rohstoffe als Ausgleichs- und Ersatzmaßnahmen (ELKE)“ wurde vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) über den Projektträger Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) gefördert. Alle Projektergebnisse stehen auf landnutzungsstrategie.de zur Verfügung. Der Leitfaden ist für 14,90 EUR im Verlag Natur+Text bestellbar.

[Quelle: Pressemitteilung der Fachagentur Nachwachsende Rohstoffe e. V. (FNR) vom 21. September 2016 ]