Einführung und Zielsetzung

Rohrkolbenanbau im LK Cuxhaven
Rohrkolbenanbau im LK Cuxhaven
In dem bundesweiten Verbundvorhaben „Nachhaltigkeit von Paludikulturen (NAPALU) – unter besonderer Berücksichtigung des Stoffhaushaltes“ werden Anbauverfahren bereits etablierter Niedermoor-Paludikulturen (Typha, Phragmites, Phalaris und Carex) in Bayern und Niedersachsen untersucht und optimiert sowie nachhaltige Produkte (weiter-) entwickelt. Die Auswirkungen von Nährstoffverfügbarkeit und von Nährstoffzufuhr auf die Biomassequantität und -qualität, den Stoffhaushalt (THG-Austausch und Nährstoffdynamik) und die Biodiversität werden untersucht. Die Anbauverfahren werden hinsichtlich ihrer Wirtschaftlichkeit bewertet. Ein weiteres Alleinstellungsmerkmal ist die Erstellung eines Pflanzenwachstumsmodells für Paludikulturarten.

Es gibt in Deutschland rund 1,8 Millionen Hektar organische Böden, die Treibhausgase (THG) von insgesamt etwa 53 Mio. t Kohlendioxid-Äquivalenten (CO2-Äq.) pro Jahr emittieren. Die organischen Böden konzentrieren sich insbesondere auf das Norddeutsche Tiefland sowie das Alpenvorland. Die Kultivierung und Entwässerung dieser Flächen war die Grundlage für die Entwicklung der heutigen Landwirtschaft in diesen Regionen. Entsprechend resultiert der überwiegende Teil der klimarelevanten Emissionen entwässerter organischer Böden aus landwirtschaftlich genutzten Flächen. Mittlerweile verstehen wir, dass es gerade die Trockenlegung der Moore ist, deren Folgen uns vor erhebliche Herausforderungen stellen - für den Klimaschutz, den Biodiversitätsschutz, aber auch für eine nachhaltige Nutzung.

Das Projektvorhaben zielt ab auf eine nachhaltige Bewirtschaftung von wiedervernässten Niedermoorflächen. Über die Hälfte der organischen Böden in Deutschland sind Niedermoorböden. Die Entwicklung von Nutzungsalternativen ist dringender denn je:

Paludikultur ist die produktive land- oder forstwirtschaftliche Nutzung nasser und wiedervernässter Moorflächen und anderer organischer Böden unter zumindest torferhaltenden hydrologischen Bedingungen. Voraussetzung ist, dass der Wasserstand ganzjährig nahe der Bodenoberfläche gehalten oder überstaut wird. Im Vergleich zu konventioneller land- und forstwirtschaftlicher Nutzung werden die Treibhausgasemissionen verringert und der Verlust des Torfkörpers minimiert oder sogar gestoppt. Die aufwachsende oder angebaute oberirdische Biomasse wird genutzt, nicht aber unterirdische Pflanzenteile. Niedermoorstandorte zeichnen sich durch eine große Vielfalt aus, so dass sich für den Anbau halmgutartiger Biomasse verschiedener Arten eignen.

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Der Schwerpunkt des Vorhabens liegt auf der Nachhaltigkeit der gesamten Produktionskette vom Anbau bis zur Verwertung. Für stoffliche Verwertungskonzepte werden praxisnahe Untersuchungen durchgeführt. Das Projekt soll bewerten, wie nachhaltig Niedermoor-Paludikulturen in Hinblick auf Produktivität, Verwertungsschienen und Ökonomie sowie auf Wasser- und Nährstoffdynamik, Biodiversität und Klimarelevanz auf Dauer sind. Die Ergebnisse werden genutzt, um das Landnutzungsverfahren der Paludikultur, aber auch die Produktentwicklung im Sinne der Nachhaltigkeit zu optimieren. Hierzu gehört die Verbesserung der Bestandsführung, die Optimierung der Nährstoffverhältnisse sowie die Bewertung der Ökosystemleistungen und der Wirtschaftlichkeit. Durch die Integration der Ergebnisse aus allen Arbeitspaketen sollen Synergien und Trade-Offs identifiziert und bewertet werden. Neue Werkstoffe aus Fasern von Paludikulturen werden entwickelt, um langfristig eine Vermarktung zu ermöglichen.

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In dem Vorhaben stellen die Projektpartner die Infrastruktur und die Flächen in Süd- und Norddeutschland zur Verfügung: Großflächige „Pilot Sites“, „Intensivmessstandorte“ und insgesamt 36 „Mesokosmen“. In den Mesokosmen werden Fragen zum Anbau von breitblättrigem und schmalblättrigem Rohrkolben sowie von Schilf und Rohrglanzgras auf dem Gelände des Julius-Kühn-Instituts in Braunschweig geklärt. Am Intensivmessstandort im Freisinger Moos (Bayern) werden auf kleinen Flächen Sumpf-Segge, Rohrglanzgras und breitblättriger Rohrkolben angebaut. Am Intensivmessstandort im Hohenbökener Moor (Niedersachsen) werden breitblättriger und schmalblättriger Rohrkolben sowie Schilf untersucht. Auf größeren Flächen (Pilot Sites) wachsen:

  • Sumpf-Segge, Rohrglanzgras und schmalblättriger Rohrkolben (Langenmoosen, Bayern)
  • Sumpf-Segge (Günzburg, Bayern)
  • Rohrglanzgras und andere Gräser (Dümmer, Niedersachsen)
  • breitblättriger und schmalblättriger Rohrkolben sowie Schilf (Hohenbökener Moor, Niedersachsen)
  • breitblättriger und schmalblättriger Rohrkolben sowie Schilf (Bederkesa I, Niedersachsen)
  • breitblättriger und schmalblättriger Rohrkolben (Bederkesa II, Niedersachsen; ab 2024)

Ziele:

Ziel des Vorhabens ist es, den Einfluss der Nährstoffversorgung und weiterer relevanter Faktoren (z.B. Wasserstände) auf die mittel- und langfristige Ertrags- und Qualitätsentwicklung von etablierten und mit Projektbeginn neu angelegten Niedermoorpaludikulturen sowie auf Umweltauswirkungen und Verwertungsoptionen in Bayern und Niedersachsen zu quantifizieren. Dies umfasst folgende wichtige Ziele:

  • Erkenntnisse zur Nährstoffversorgung und Nährstoffdynamik von Niedermoor-Paludikulturstandorten
  • Quantifizierung der THG-Emissionen, des Nährstoffrückhalts und die Erfassung der Biodiversität zur Bewertung der ökologischen Wirkung
  • Modellierung der Bestandsentwicklung der ausgewählten Arten. Diese ermöglichen künftig erstmals Ertragsprognosen
  • Ökonomische Bewertung des Paludikulturanbaus. Die relative Bewertung verschiedener Arten zueinander und im Vergleich zur bisherigen Grünland- oder Ackernutzung soll den Landwirten eine bessere Entscheidungsgrundlage für den Praxisanbau von Paludikulturen geben. In die ökonomische Bewertung werden die Ergebnisse aus allen Arbeitspaketen integriert
  • Tests ausgewählter Verwertungslinien auf Basis der Ertrags- und Qualitätsparameter

Teilprojekte:

Das Verbundvorhaben „Nachhaltigkeit von Paludikulturen unter besonderer Berücksichtigung des Stoffhaushaltes“ teilt sich in sieben Teilvorhaben:

Teilvorhaben 1: Gesamtkoordination; Untersuchungen zu Anbau und Biodiversität auf nds. Pilotflächen sowie Aufbau von regionalen Nutzungsketten (3N Kompetenzzentrum e. V.)

Teilvorhaben 2: THG-Austausch einer bayrischen Pilotfläche und Erfassung der Effekte von Nährstoffversorgung auf Produktivität und Umweltwirkungen (Hochschule Weihenstephan-Triesdorf)

Teilvorhaben 3: THG-Austausch einer nds. Pilotfläche und Modellierung der Effekte der Standortverhältnisse auf das Pflanzenwachstum (Thünen Institut)

Teilvorhaben 4: Auswirkungen der Nährstoffversorgung von Paludikulturen auf Erträge, Qualitäten und Verwertungsoptionen (Julius Kühn-Institut)

Teilvorhaben 5: Nährstoffdynamik im Torf und Wasserqualität (Universität Trier)

Teilvorhaben 6: Ökonomische Bewertung - Quantifizierung und Inwertsetzung der Leistungs- und Kostenkomponenten von Paludikulturen (Universität Kiel)

Teilvorhaben 7: Faserspritzguss, mechanische Eigenschaften und Papierformversuche (Hochschule Bremen)

Projektpartner



Gefördert durch

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Laufzeit

November 2022 bis November 2025

Ansprechpartner

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Dr. Colja Beyer

Projektkoordinator Kompetenzstelle Paludikultur

+49 5951 9893-18
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